141130 Guffert (2.195m)

Heute mal was was anderes… es geht ins Rofan. Und noch was ist extra… Der Papa ist heute auch mit von der Partie.
Wir haben uns den Guffert als Ziel erkoren, einen schönen, aber an vielen Tagen überlaufenen Gipfel, der eine Wahnsinns-Aussicht sowohl ins Voralpenland, wie auch auf das Kaisergebirge und die Zentralalpen bietet.
Papa hat sich auch entschieden, mitzukommen und fährt schon in der Früh von Reutte aus nach Aldrans, um dann mit uns weiter Richtung Achensee zu fahren.
Um 10:00 Uhr holen wir noch Alfons in Hall ab, dann geht es in einer gemütlichen Stunde nach Steinberg im Rofan. Wir parken das Auto beim „Waldhäusl“, der Parkautomat ist außer Betrieb, daher müssen wir auch nicht bezahlen. Wir richten uns gerade für den Abmarsch her, da erscheint wie aus dem Nichts eine alte Frau, und spricht uns wirr an. Nach ein paar Sätzen ist uns klar, dass diese Frau wohl nicht ganz klar ist. Wir sprechen höflich ein paar Worte mit ihr, dann machen wir uns auf den Weg. Schon komisch, immer wenn Alfons und ich mit Willi auf dem Weg sind, erscheinen uns komische Leute… 🙂
Gleich am Anfang überqueren wir ein einen „Schuhbaum“ und ein munteres Bächlein, dann steigt der Steig sanft durch den Wald hinauf.

Bald schon merken wir, dass sich der Weg mit dieser moderaten Steigung richtig zieht, es ist zwar ein sehr angenehmes Gehen, aber es geht halt auch nichts weiter…

Wir überqueren einen alten Lawinenstrich und klettern eine leichte Rinne hinauf.

Bei einer kurzen Rast besprechen wir den weiteren Weg, mutmaßen den Pfad an der linken Seite eines Kopfes, werden aber direkt beim weitergehen eines Besseren belehrt…

 

…der Weg weicht nach Rechts aus, um die wunderschöne, mit Höhlen durchsetzen Felsformation herum…

… dann wird es nochmals flach und ein unglaublicher Blick tut sich auf, überall nur Latschen, soweit das Auge reicht. Fast ohne Lücken, so wie ich das noch nie gesehen habe. Hier am Sattel des Gufferts ist ein „Latschenparadies“ sondergleichen entstanden…

Vom Sattel drehen wir nach Links, dem Grat entlang hinauf zum schon bald sichtbaren Gipfel. Nun wird auch die Höhe bemerkbar, denn in den Schatten liegt überall Schnee, nicht viel, aber doch genug, um liegenzubleiben.

Den Gipfel haben wir nun permanent im Blick, vor uns sehen wir schon einige Leute im Auf- oder Abstieg. In der Früh habe ich noch die Bemerkung gemacht, dass wir wohl nicht viele Leute auf dem Berg antreffen würden… wie man sich doch täuschen kann.
Gerade als wir fast am Gipfelfelsen anlangen, plötzlich ein Schrei von oben, eine Mannschaft vor uns ruft an die Nachfolger „Da ist gerade Einer abgerutscht… hat jemand von euch ein Handy dabei, und kann die Rettung anrufen…“.
Ich packe rasch das Handy aus und drücke auf die Notfallapp. Sofort wird ein Notruf abgesetzt, mit Position und allem Drum und Dran. Kein Überlegen, welche Nummer ich wählen muss… bin ich froh. Einzig mit dem Empfang haut es nicht ganz hin. Nachdem ich den Notruf abgesetzt habe, werde ich von der Leitstelle zurückgerufen, um die Meldung aufzunehmen. Da der Empfang aber recht schlecht ist, muss ich zig Positionswechsel machen, bevor ich überhaupt mal jemanden erreiche…
Des Weiteren weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht genau, was passiert ist. Nach und nach kommen jedoch die Informationen zu uns und ich versuche, diese weiterzugeben. Ein Wanderer ist auf einem Schneefeld abgerutscht und über die Nord-Ostseite den Berg runtergerutscht. Hier im Bild sieht man die Unglücksstelle, ein paar Fussabdrücke, und plötzlich nichts mehr…

Ich versuche immer noch, eine Verbindung mit der Landesleitzentrale aufzubauen, um die Daten durchzugeben… später beim Lesen der Zeitungsberichte werde ich mich wundern, was da alles verstanden wurde. Wieder steht die Verbindung ein paar Sekunden, ich höre, dass der Hubschrauber schon alarmiert und auf dem Weg zu uns ist.
Alfons und Papa stehen an der Nordseite, vom Verunfallten ist von dieser Warte aus nichts außer der Rutschspur zu sehen, der Bergsteiger muss über eine Kante abgerutscht sein. Ich stehe mit dem Handy des Empfangs wegen auf der Südseite, der Unfallstelle abgewandten Seite. Daher bin ich immer auf die Zurufe der Anderen angewiesen.

Bald schon hören wir den Hubschrauber, der mit lautem Geknatter angeflogen kommt. Dieser fängt auch gleich die Suche an, doch wir müssen feststellen, dass der Hubschrauber an der falschen Stelle sucht. Ich rufe mit Alfons Handy (Anderer Netzanbieter) nochmals bei der Leitstelle an, nun klappt die Verbindung wesentlich besser.
Ich teile mit, was ich zu wissen glaube, und teile auch mit, dass der Hubschrauber an der falschen Stelle sucht. Der Bitte, meine Position nicht zu verändern, um eine Handyortung durchführen zu können, komme ich gerne nach. Und siehe da, schon bald fliegt der Hubschrauber zu uns, uns wie können die Retter auf die Unglücksstelle hinweisen. Mittlerweile stehen sicher schon 15 Leute in unserer direkten Umgebung.
Der Hubschrauber fliegt die Unglücksstelle auf und ab, und schon bald ist der Verunglückte gefunden, zumindest soweit wir das beurteilen können. Mit dem Tau wird der Bergsteiger geborgen.
Wir entschließen uns, weiterzugehen, da wir hier nichts mehr tun können. Die Retter haben meine Telefonnummer, sollten noch Fragen sein. In diesem Moment muss ich zugeben, trifft mich diese Situation nicht so, wie ich es eigentlich vermutet hätte. Ich sehe mich, trotz Absetzens des Notrufs in einer „unbeteiligten“ Beobachterrolle, bin emotional recht ruhig. Auf die Frage, ob wir weitergehen sollen, sage ich nur ja, froh, wieder beschäftigt zu sein…

Die letzten Meter auf den Gipfel gehen wir schweigend hinauf, jeder für sich. Es ist nicht so sehr Beklemmung, die uns schweigen lässt, sondern eher eine Nachdenklichkeit, die Überraschung, wie schnell es gehen kann, ein kleiner Fehltritt, und das war´s. Ich für meinen Teil gehe noch vorsichtiger als sonst, setze meine Schritte mit Bedacht…

Schon bald stehen wir auf unserem Tagesziel, dem Gipfel des Gufferts. Natürlich sind wir nicht die Einzigen, denn schon während dem Rettungseinsatz sind die Einen oder Anderen weiter zum Gipfel gegangen.

Wir setzen uns in eine kleine Senke, geschützt vom kühlen Wind, lassen uns von der Sonne wärmen und verzehren unsere Jause. Wie gewohnt, sobald der Tisch gedeckt ist, gesellen sich die Dohlen, die Flugkünstler der Alpengipfel zu den Speisegästen und verlassen den Platz nicht, ohne ein paar Krümel abbekommen zu haben.

Da es ja schon spät im Jahr ist, darf man nie vergessen, wie früh es dunkel wird. Dieser Gedanke treibt uns schon bald wieder runter ins Tal, und wir beschließen, trotz der angenehmen Sonne den Abstieg zu wagen.

Als wir wieder bei der Unglücksstelle vorbeigehen, hören wir gerade wieder einen Hubschrauber. Ein Blick in den Himmel bestätigt dies, ein Polizeihubschrauber kreist über der Unglücksstelle und es werden Bilder gemacht. Als der Hubschrauber anstalten zum Landen macht, gehen wir Drei in die Hocke, halten unsere Siebensachen und warten, bis das Fluggerät gelandet ist.

Ein Polizist steigt aus dem Heli aus, dann fliegt dieser wieder weg vom Grat. Ich laufe rüber zum, wie sich herausstellt, Postenkommandanten und stelle mich kurz als „Notrufer“ vor, dann zeige ich ihm die Unglücksstelle. Auf die Nachfrage wird unsere Befürchtung bestätigt… der Alpinist hat den Absturz nicht überlebt…
Der Polizist nimmt noch meine Daten auf, dann werden ich auch schon wieder entlassen.

Wir steigen schnell ab, den gleichen Weg hinunten, der wir in der Früh aufgestiegen sind. Gerade zum letzten Licht erreichen wir den Parkplatz.
Gegenüber stehen die Alpingendarmen neben dem Leichenwagen… gemischte Gefühle machen sich wieder breit…

Nachtrag:
Am Abend und nächsten Tag sind alle Nachrichten voll vom Alpinunfall, weitere Unfälle sind in der Kranebitter Klamm und in Scharnitz geschehen. Alles in allem ein sehr düsteres Wochenende für Alpinisten, zumal es jahreszeitlich gesehen eine sehr untypische Zeit zum Bergsteigen ist… nur der sehr milde Herbst macht solche Touren noch möglich.
Der beschriebene Unfall hat sich nicht auf dem „Normalweg“ ereignet, sondern auf einem Steig, der als solcher durch das Schneefeld nicht mehr zu erkennen war. Eine „ängstlichere“ Person wäre hier wohl nicht auf das Schneefeld eingestiegen…

Tourendaten:
Aufstieg: 1279 hm
Dauer: 5:14
Distanz: 12,02 km

 

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